Rudolf Schwaiger
Akademischer Bildhauer und Sozialdemokrat (1924–1979)
Seine Einstellung zum Leben war immer eine positive, wenn auch sehr zweckorientiert. Geige sollte er lernen, Zitherspieler wollte er werden, also zerstörte mein Vater das Instrument, welches seine Eltern sich vom Munde abgespart hatten. Nach eigener Aussage sprach er erst mit 3 Jahren, aber dann artikuliert in ganzen Sätzen. Vorher sah er keinen Grund darin, sich plappernd zu verständigen.
Die roten lockigen Haare, die auch erst mit 3 Jahren auf seinem Kopf sprießten, förderten die Akzeptanz seiner Kameraden keineswegs. So wurden Stift, Papier und Holz seine Jugendgefährten.
Nur der Pfarrer erkannte das Ausnahmetalent meines Vaters und ermöglichte ihm den Besuch der Holzfachschule in Hallstatt. Hier wurde meinem Vater seine große Liebe –Holz- wissenschaftlich nähergebracht. Bestimmen, Lagern, Trocknen, Ausbessern, Bearbeiten, Bemalen, Vergolden … all diese Tätigkeiten sollte er sein weiteres Leben beherrschen wie kein anderer.
Ein Holzstück gab ihm die zu formende Plastik schon durch die von ihm schon von außen erkannte Maserung vor. Jegliche Verschwendung von Material war ihm unbewusst Frevel, deshalb entwickelte er mit Methode die Darstellung der Figur im platzgreifenden Format. In späteren Jahren wurde dies immer mehr durch den nach hinten gebeugten Kopf bestätigt. Dadurch war es meinem Vater-ich glaube es war ihm gar nicht bewusst-möglich, viel mehr Form, also Plastik, aus dem Grundmaterial herauszuholen!
Nach Beendigung der Holzfachschule musste er- wie viele andere auch- für Führer und Vaterland sein Österreich verteidigen. Eine Ausbildung zum Funker brachte Rudolf Schwaiger oft in Lebensgefahr. Damals mussten die Leitungen noch per Hand durch Kampf-und Feindgebiet gelegt und geflickt werden, um die Funksprüche empfangen zu können.
Sehr wenig hat er von den vier Jahren im Krieg und danach in Gefangenschaft erzählt. Nur vom alkoholkranken Esel, der ohne Schnaps seine 50 kg schwere Funkausrüstung nicht schleppen wollte. Also hat er für den tierischen Träger- und wohl auch für sich- Alkohol requiriert. Erst in amerikanischer Gefangenschaft konnte er sich wieder seinem geliebten Holz widmen. Die amerikanischen Besatzer ließen Porträts in Auftrag geben. Einige sind Gottseidank noch als Foto zu bewundern.
Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft war es Rudolf Schwaiger, obwohl dem oberösterreichischen Seengebiet sehr verbunden, bewusst, dass sein weiteres Leben und Arbeiten nur in Wien möglich sein wird.
Deshalb ab 1946 Studium bei Prof. Fritz Wotruba in der Meisterklasse für Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Bilder dieser Zeit zeigen einen auch nach heutigen Maßstäben attraktiven jungen Mann mit langem, rotem Haar und blauen Augen. Unter seinen Kommilitonen befanden sich unter anderem Oskar Bottoli, Otto Eder, Wander Bertoni und Heinz Leinfellner.
Die antibarocke Haltung, die Neufindung des Kubismus in seiner starren Form wurde anfänglich von meinem Vater mitgetragen, und er versuchte dies auch in Plastik und Zeichnung umzusetzen. Angepasst an die Schule des Blockhaften und Abstrakten seines Lehrers sind die ersten und weiteren Stein- und Gipsfiguren nur schwer als typische „Schwaigers“ erkennbar.
“Die Welt ist voll von Gegensätzen, blendend und schmutzig, schwarz und weiß, gewaltig und schwächlich“. Mit diesem Zitat seines Lehrers konnte er sich als Optimist nicht mehr identifizieren. Sowohl seine geistige als auch künstlerische Auffassung entfernte sich immer mehr von seinem anfänglich sehr verehrten Lehrmeister. Die verbale, eloquente und diskussionsfreudige Art des doch sehr bestimmenden Pädagogen widersprach dem bescheidenen, wiewohl nicht ungebildetem Intellekt meines Vaters. Seine Aufgabe als Künstler sah er im Arbeiten und Werke schaffen, und nicht in der Diskussionsrunde.
Auch mit Alfred Hrdlicka und Josef Mikl, die zur selben Zeit Malerei studierten, war mein Vater befreundet. Nachdem Alfred Hrdlicka ab 1953 ebenfalls Bildhauerei bei Fritz Wotruba belegte und beide jeweils ein Atelier im 11. Bezirk zugewiesen bekamen, entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die erst durch den frühen Tod meines Vaters 1979 jäh beendet wurde.
Aber schon bald begann er die weiblichen Rundungen als solche in Holz und Stein zu gestalten. Die Kugel, das absolut Runde, wurde zu seiner Ausdrucksform und Markenzeichen. Vollendung fand dieses in der Weiberkugel, in der sich vier Frauenkörper zu einem verschlungenen Knoten formen.
Nach dem Krieg wurde von der öffentlichen Hand wiederaufgebaut und wiederhergestellt. Viele junge Künstler arbeiteten für das Bundesdenkmalamt und restaurierten Kunstwerke an öffentlichen Plätzen. Dieses Zubrot konnte auch mein Vater nicht verschmähen. Viele Denkmäler, Gedenksteine, Grabsteine, Holzrestaurierungen und Stuckdecken wurden unter seinen Händen zu neuer Schönheit gebracht. Diese Aufträge, immer pünktlich und kostengünstig, zusätzlich immer auf die Umgebung, das Bauwerk und das Objekt selbst eingehend, machten aus Rudolf Schwaiger einen gefragten Bildhauer mit Bezug zur Gemeinde. Der soziale Gemeindebau boomte, und namhafte Künstler konnten Ihre Werke durch die Aktion „Kunst am Bau“ vor, in oder auf den Gemeindebauten präsentieren. Ein fixer Prozentsatz der Bausumme war diesen Projekten gewidmet.
Sehr viele Einzelplastiken, Reliefs und Wanddekorationen schmücken Wiener Gemeindebauten.
Viele damalige sozialdemokratischen Politiker gehörten zu seinen Freunden und Sammlern.
Als Oberösterreicher, ein Mann vom Land und “Zuagraster“, lebte er immer bescheiden und genügsam. Sein Arbeitstag unterschied sich doch etwas von jenem der anderen Sozialdemokraten. Von 8:00 bis 18:00, auch am Samstag, – wurde im Gemeindeatelier im 11. Bezirk gewerkt.
Meine Mutter war es auch, die die berühmten Trachtenjanker für meinen Vater strickte, um den für meinen Vater unangenehmen Krawattenzwang zu umgehen. Darunter wurde ein Rollkragenpullover getragen. Dieses Outfit war legendär, nur zu den Preisverleihungen wurde der Anzug, meist zu eng, angelegt. Mein Vater, so habe ich ihn in Erinnerung, war durch allzu viel Speis und Trank sehr rundlich geworden.
Auch die größten Steine von 9 Tonnen wurden nur unter Mithilfe von Hubzug, Holzrollen und Muskelarbeit in das und aus dem Atelier transportiert. Jegliches Bearbeiten geschah nur von Hand. Keine elektrischen Hilfsmittel wurden verwendet. Der Glanz der Holz- und Steinplastiken entstand nur durch die besondere Arbeitstechnik. Hierfür verwendete mein Vater extra für Ihn geschmiedete Edelstahleisen, der Firma Blaha in Wien Simmering, die immer nachgeschliffen werden konnten.
Mein Vater, Rudolf Schwaiger, lebte für die Arbeit, und seine Arbeit ernährte auch uns, meine Mutter und mich. Jegliches Auffallen und Werben war ihm unangenehm.
Trotzdem oder gerade deshalb beschickte er mit seinem Werken viele Einzel und Gemeinschaftsausstellungen im In- und Ausland.
Zahlreiche Preise und Ehrungen sind ihm verliehen worden.
Mehrmals leitete er die Meisterklasse der Bildhauerei in Salzburg. Auch im Römersteinbruch St. Margareten war er tätig. Alle seine Schüler schwärmen noch heute von seiner sensiblen Art zu unterrichten. Leider wurde ihm nie eine Professur an der Akademie angeboten. Dies hat geschmerzt.
Ein hochbegabter Künstler, immer seinen Wurzeln verbunden, geerdet und noch voller Ideen-viel zu früh ist er von uns gegangen.
Aber sein Werk lebt weiter, und ich will es am Atmen halten.